Schellackplatten: Der Klassiker

Neben dem Grammophon gelang dem Deutschen Emil Berliner1 eine weitere Erfindung: 1896 brachte er die erste Schellackplatte heraus, nachdem er die Verwendung von Hartgummi als Plattenmaterial aufgab. Sie bildet den Vorgänger der heute noch häufig anzutreffenden Vinylschallplatte. Das Material erstand er von der „Duranoid Company, Newark, New Jersey“ als fertige Substanz, die aus Schellack, Schiefermehl, Ruß und Baumwollflocken bestand und ursprünglich als Isoliermaterial entwickelt worden war. Schellack ist eine harzige Substanz, die von Insekten auf ostindischen Pflanzen produziert wird. Nach einer Reinigung durch Auswaschen und Umschmelzen eignet er sich für Lacke, Firnisse und eben Schallplatten.

Die Schellackplatten hatten meist einen Durchmesser von etwa 25 oder 30 cm. Die meist in Seitenschrift geschriebenen Rillen konnten mit der Nadel des Grammophons oder Plattenspielers abgetastet werden; als Drehgeschwindigkeit setzten sich nach einigen Versuchen 78 U/min durch. Die Spielzeit dieser Platten, welche eine ganz neue Klangqualität boten, betrug zwischen drei und vier Minuten. Die längere Variante war vor allem für die Aufnahme klassischer Stücke attraktiv.

Neben der neuen Klangqualität und Haltbarkeit war ein großes Plus der Schellackplatte, dass sie sehr leicht vervielfältigt werden konnte, was es möglich machte, Schallplatten in beliebiger Stückzahl zu pressen. Jedoch waren diese Platten sehr zerbrechlich, was noch einen großen Nachteil darstellte, denn wenn sie fallen gelassen wurden, waren sie meistens sofort kaputt.

Die Schellackplatte wurde neben vereinzelten Aufnahmen von Stimmen hauptsächlich zur Aufnahme von Musik gebraucht. Emil Berliner sah von Anfang an den Zweck seiner Erfindung in der Vermarktung von Musikaufzeichnungen. Die Schellackplatte setzte sich schnell durch und sorgte bald in vielen Cafés und Gastwirtschaften für Unterhaltung, zumal dies um einiges billiger war als das Anheuern einer Musikkapelle. Ihren ersten großen Schub bekam die Schellackschallplatte durch Enrico Caruso2, dessen Stimme jeder auf seinem Grammophon wiedergeben wollte. Bald wurde die Schellackplatte international zum Hit und erlebte nicht nur in Europa und den USA, sondern auch in Lateinamerika, Asien, der Karibik und Afrika ihren Aufschwung.

Unter den Hauptakteuren auf dem internationalen Plattenmarkt waren die englische Grammophone Company, der amerikanische Victor Label und die deutsche Firma Odeon3. Durch den ersten Weltmusik-Boom hielt auch bald der argentinische Tango seinen Einzug in die europäischen Metropolen, sodass bald in Madrid, Paris, Barcelona und auch Berlin zu dem unverkennbaren Rhythmus getanzt wurde.

Nachdem 1952 die Vinyl-Schallplatte von dem ungarisch-amerikanischen Physiker Peter Carl Goldmark4 erfunden wurde, wurde die Schellackplatte nach und nach verdrängt. Denn die Vinylschallplatten konnten nicht nur eine wesentlich bessere Tonqualität aufweisen, sondern waren im Gegensatz zu den Schellackplatten auch beinahe unzerbrechlich. In Deutschland wurde die letzte Schellackplatte im Jahr 1958 verkauft. In anderen Ländern hielt die Produktion noch länger an, und die letzten Schellackplatten wurden 1972 in Südafrika gepresst. Bis kurz nach 1980 waren die gängigen Plattenspieler noch in der Lage, Schellackplatten abzuspielen.

Heutzutage bilden die Schellackplatten ein Stück musikalische Vergangenheit, auf das ein wenig nostalgisch oder oft auch mit einem Schmunzeln zurückgeschaut wird. Manche der älteren Platten gelten als absolute Raritäten, und es gibt sogar Schellacks, von denen nur noch ein einziges Exemplar vorhanden ist. Sammler lassen sich weiterhin von dieser alten Form der Musikwiedergabe begeistern, und auf Sammlerbörsen und Auktionen werden besonders für solche Unikate oft horrende Summen bezahlt. Besonders hoch im Kurs stehen dabei seltene Bluesplatten aus en 20er- und 30er-Jahren. Eine Platte des legendären Sängers Robert Johnson, „Hellhound in my Trail„, wurde beispielsweise 1999 auf einer Versteigerung in der USA für ganze 4500 Euro verkauft.

Inzwischen hat die Widerveröffentlichung alter Lieder, die einst auf den Schellacks zu hören waren, explosionsartig zugenommen. CDs mit dem historischen Material erscheinen fast jeden Monat und bieten damit die Chance, zu den Wurzeln der modernen Musik zurückzukehren und damit einem Stück Geschichte zu lauschen. Dennoch fehlt den digitalisierten Aufnahmen der Charme, den das Rauschen und Kratzen der Schellackplatten mit sich brachte.


  1. Emil Berliner auf wikipedia.org 

  2. Portrait Enrico Caruso auf fuerth.de 

  3. Odeon auf wikipedia.org 

  4. Karl Goldmark auf wikipedia.org